Ankunft in der Hauptstadt Harare
Intensiv vorbereitet erreichen 10 Jugendliche und drei Lehrkräfte der Martin-Niemöller-Gesamtschule in Bielefeld nach 24 Stunden Anreise übermüdet und neugierig den Robert Mugabe Airport in Harare. Und plötzlich sind wir alle Weiße, dabei gehört unsere halbe Gruppe in Deutschland doch zu den People of Colour als Menschen mit türkischen, kurdischen, marokkanischen, indischen oder syrischen Wurzeln. Doch nun erleben wir alle, was es heißt in jeder Situation allein auf Grund der Hautfarbe aufzufallen. Und schon kommen die Fragen: wo kommt ihr her? Wie ist Deutschland? Und gefällt dir Zimbabwe? Doch zugleich erleben wir einen wichtigen Unterschied: In Simbabwe werden wir mit Respekt gefragt und ehrlichem Interesse und die Fragen dienen oft als Weg mit uns näher ins Gespräch zu kommen. Wir sind hier alle privilegiert.
Es ist heiß und staubig unter strahlend blauem Himmel vor dem Flughafen. Unser klappriger Bus, ein 20-Sitzer holt uns ab. „Da passen wir mit 13 Leuten und 23 Koffern doch nie rein“ oder „klar das passt“ zeigt die unterschiedlichen Perspektiven abhängig vom eigenen Erfahrungshintergrund in unserer bunten Reisegruppe. Und wir passen rein und fahren über holprige Straßen mit vielen Schlaglöchern unter wunderschön lila blühenden Jacarandabäumen hindurch zu unserer Herberge.
Unser Projekt
Kern unserer Reise aber ist unser Projekt in Nkululeko. Wir wollen zusammen mit einer Partnergruppe aus Nkululeko Material abdrehen für einen Dokumentarfilm unter dem Motto: 40 Jahre Partnerschaft – Vergangenheit ist Zukunft. Dazu wollen wir eine Reihe Interviews machen. 20 Jugendliche, 10 von jeder Schule, sitzen zusammen. Nach einem ersten Kennenlernen besprechen wir die Ziele des Films und den Weg dorthin. Unsere Partner steigen schnell in die Diskussion ein und in gemischten Kleingruppen nimmt das Projekt Gestalt an. Bald steht die Liste der in Nkululeko zu Befragenden. Jetzt bilden wir Kleingruppen nach Neigung. Auch Nkululeko soll den Umgang mit unserer komplexen Kamera lernen. Also gibt es ein Kamerateam, ein Tonteam und ein Interviewerteam. Faisal Chouman schreibt:
„Ich mache Ton. Auf dem Tisch vor uns liegen Tonangel, Mikro, Kopfhörer und Kabel. Wie bloß anfangen? Einer von uns baut die Teile zusammen. Wir 6, drei von jeder Schule, gehen raus zum Probedreh. Die Sonne knallt mir auf den Kopf, aber meine Partner wollen lernen, Kopfhörer auf, mit der Tonangel experimentieren, Sprechproben hören … Wir geben Tipps und treffen auf motivierte, pfiffige Lerner*innen. Es macht einfach Spaß. Später frage ich meinen Partner wie er es fand: er will es seiner Mutter erzählen, sie wird sehr stolz auf ihn sein und deshalb sei er glücklich.“
Neben dem Filmprojekt haben wir im Vorfeld verabredet, dass wir 40 Jahre Partnerschaft auch groß feiern wollen. Am 1.10 gibt es einen offiziellen Festakt mit Minister Dr. Gumbo aus dem Statehaus als Ehrengast und zahlreichen Offiziellen sowie Delegationen von allen ZIMFEP Schulen. Dort wird es Reden geben aber auch Kulturbeiträge. Deshalb integrieren wir uns in den Nkululeko Schulchor und lernen von ihnen einige ihrer Lieder und Tanzen zu einem der Songs. Sie möchten gerne von uns den Jumpstyle lernen, in drei Nachmittagen schaffen wir eine kleine Choreographie, genug für einen Auftritt. Zugleich ist unser Schlagzeuger abgewandert zu der traditionellen Tanzgruppe und sitzt dort an einer Trommel.
Der Festakt
Während des Festakts sitzen wir mitten unter den Jugendlichen von Nkululeko, singen bunt verteilt im Chor mit, tanzen und trommeln. Wir gehören dazu. Wie besonders das ist, zeigen die Reaktionen der Gäste. Keine der anderen Schuldelegationen hat eine Partnerschule in Deutschland. So stehen wir nach dem offiziellen Programm wieder mal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit mit den Standardfragen und, ziemlich nervig, jeder will ein Foto mit uns oder unsere Telefonnummer. Dürfen wir da „nein sagen oder ist das unhöflich?“
Reden bei solchen Anlässen sind ja selten spannend, aber als der Gründungsschulleiter CDE Nyengera ans Rednerpult tritt wird es sehr interessant. Er erzählt aus den Anfangsjahren, sprich über das Leben in Zelten, von Regen, Matsch, durchnässten Decken und wie er immer wieder seine jungen Männer und Frauen, mit denen er aus Mozambique aus den Flüchtlingscamps zurückgekehrt ist, motiviert zu lernen und den Kampf für den Bau einer Schule aufzunehmen. Im Matsch stehen und selber Ziegel formen und brennen und dabei erleben, wie die dort unterrichtende weiße Lehrerin aus Deutschland, Melanie v. Pentz als erste der Lehrer*innen herunter in das Loch steigt und Ziegel nach oben trägt ist der Samen einer langjährigen Freundschaft.
In einer Familie zu Gast
Unser letzter Stopp führt uns in die Familien unserer simbabwischen Partner*innen. Die meisten wohnen in kleinen Häusern, dicht gedrängt im Township, ein oder zwei Zimmer und eine Wohnküche.
„Und dann geben sie mir und meinem Partner ein Schlafzimmer, der Rest der 6-köpfigen Familie schläft in dem anderen. Ich frage mich, wie kommt es, dass so gebildete Menschen so ärmlich leben müssen und zugleich so unglaublich gastfreundlich und hilfsbereit sind?“
– Marwane El Hachimi
Der Dokumentarfilm wird voraussichtlich im Februar 2023 erscheinen und kann über das Zimbabwe Netzwerk, das Welthaus Bielefeld und der Schulpartnerschaftsgruppe ausgeliehen werden.